Einführung
Souvenir der Moderne
Die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Erbe der Moderne zieht sich als roter Faden durch Silke Radenhausens Arbeiten; Ihre anhaltende Aufmerksamkeit gilt der Grundlage der Malerei im buchstäblichen Sinne, der gespannten Leinwand als Bildträgerin in der westlichen (illusionistischen) Kunst.
Die Kunst der klassischen Moderne, insbesondere die nur geometrischen, ungegenständlichen Formen des Minimalismus, kann ihre auratische Wirkung nur auf der gespannten Fläche einer durch Grundierung scheinbar entmaterialisierten Leinwand entfalten.
Radenhausen stellt die damit verbundene Bildauffassung, die auch die Betrachter entkörperlicht und Kunstgenuss als höchste Transzendenz zelebriert, auf die Füße.
Sie arbeitet mit der Malerleinwand selbst. Sie wäscht und färbt sie. Sie näht sie aneinander und ineinander, sie bestickt sie.
Jedoch ginge es an der Sache vorbei, diese Verfahren entweder als Neue Handarbeit oder als Fortführung textilkünstlerischer Traditionen zu verstehen.
Im Projekt Patch-Collection z.B. geht es augenscheinlich nicht mehr nur um die traditionelle Bildträgerschaft und deren Biegeschlaffheit, deren „Weichheit“ per se. Die Farbigkeit erweist sich als Ergebnis fast laborsystematisch durchgeführter Experimentreihen mit synthetischen Farben, (maschinengefärbt in der Waschmaschine). Genäht wird auf einer Industrienähmaschine par exzellence, der „Bernina“ Dieser robuste Nähmaschinentyp produziert in Radenhausens Hand nicht allein die verbindenden Steppnähte, sondern auch die zeichnerisch eingesetzten, in schwungvollen Linien verlaufenden Maschinenstickereien im Zickzack-Stich, die durch ein hochkomplexes Schieben der Leinwand in unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Sinne virtuos drehender Vor- und Rückwärtsbewegungen erzeugt werden.
Bei Radenhausens Verfahren geht es weder um eine Kontrastierung noch um eine „Umarmung“ von Tradition und Technologie. Vielmehr beziehen sich die angewandten Techniken auf die anhaltend prägende Phase der industriellen Moderne. Dabei entfalten sich nur scheinbar industriearchäologisch nostalgische wie digitale Beeindruckungseffekte. Entscheidend sind unspektakuläre, maschinell niederkomplexe, dezentral verfügbare und mobile Techniken, die bis heute effizient nutzbar und gängig sind, ebenso wie die zitierten Bild-Ikonen der Moderne in der Gegenwart aktiv und zugleich beiläufig im Bildgedächtnis kreisen.
„Gedächtnisbilder können einmal der Ort sein, an dem man sagt: das ist es, und einmal der Ort, an dem man sagt: es ist verloren“ (Walter Benjamin).
Aus dieser Perspektive wird die gesamte künstlerische Arbeit, besonders aber „Patch-Collection“ zum Sehnsuchtsprojekt, in gewisser Weise vielleicht sogar zum Souvenir der Moderne, das diese zwar nach eigenen Kriterien ordnet, handhabbar macht und aneignet, aber zugleich immer auch eine Leerstelle produziert, eine „Entsagungsfigur“, wie Radenhausen es formuliert.
Verhandelt wird hier das Problem weiblicher Autorschaft durch die Thematisierung des Bildes der Frau sowie durch die Inszenierung „typisch weiblicher“ Produktionsweisen.
Ein männlicher Gestus gegenüber weiblicher Natur (z.B. bei Matisse), wird wieder angeeignet durch weibliche Autorenpositionen. Diese bleiben jedoch doppelt gebrochen und weniger unmittelbar, durchkreuzen aber nachhaltig die Traditionen der Moderne.